Aus der Presse


Friedrichs Fauteuil der alte Fritz lässt Blicken


20. Juli 2004 von Carola Hein

Dank 5000-Euro-Spende eines Hamburgers kann es restauriert werden


Die Seide hat die Farbe von noch nicht ganz reifen Augustäpfeln.
Der Stoff ist vom Licht ausgeblichen und zerschlissen. Und der etwa 1,20 Meter breite, sehr tiefe, gepolsterte Lehnstuhl, der mit der hellgrünen Seide bespannt ist, sieht ein bisschen wie ein Stück aus Willy Schwabes Rumpelkammer aus.
Dabei stammt das Fauteuil oder Bergère genannte Möbel aus gutem Hause: Es ist der Sterbesessel des Philosophen von Sanssouci. Möbelrestaurator Kurt Kallensee und Sohn Jan, in deren lichter, geräumiger Babelsberger Werk das schlichte Stück steht, werden es zuerst abpolstern, dabei Konstruktion, Funktion und Materialien dokumentieren und dann mit Experten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) beraten,
in welcher Fassung der Sessel aufgearbeitet werden soll. Majestät hatte ihn für 102 Taler und zwei Groschen wenige Wochen vor seinem Tod am 17. August 1786 anfertigen lassen. Nach Recherchen von Afra Schick, Kustodin der Möbelsammlung der SPSG, polsterte und bezog ihn 1786 ein Tapezierer namens Gleisberger. Um dem von Koliken, Verstopfungen, Durchfällen, Erkältungen, Gichtanfällen und chronischen Hämorrhoiden geplagten Auftraggeber bestmögliche Bequemlichkeit zu bieten, ließ sich die Rückenlehne durch Öffnen zweier Scharnierhaken absenken.

Ewald Friedrich Graf von Hertzberg sah den kranken König zuletzt täglich und berichtete, dieser sei so angegriffen, „daß Er sich nicht allein aus seinem Stuhle bewegen konnte, worin Er Tag und Nächte zubrachte“. Zur ursprünglichen Ausstattung für den Patienten gehörten ferner eine Knierolle, je eine kuschelige Daunen- und Überdecke aus karmesinrotem Taft sowie eine mit schwarzem Leder bezogene Fußbank. „All das ist heute verschollen“, so Schick.
Nach langer Odyssee – 1810 wurde das Möbel in Berliner Zeitungen zum Verkauf angeboten, 1843 kehrte es, mit hellblauer Leinwand bezogen auf den Weinberg zurück, ab 1878 kam es als Highlight ins Hohenzollern-Museum im Schloss Monbijou – stand der Ohrensessel ab 1923 wieder in Friedrichs Sterbezimmer. Dort registrierte jüngst ein Hamburger Banker bei einem Rundgang den deplorablen Zustand und beschloss, 5000 Euro für die Aufarbeitung zu spenden.

Kurt Kallensee, der in den 1970er Jahren in der Bibliothek von Schloss Sanssouci und später im Palmensaal der Orangerie des Neuen Gartens gearbeitet hatte, muss „erst noch warm werden“ mit dem guten Stück. Dessen weiß gefasstes Gestell ist vermutlich aus Lindenholz. „Jedenfalls auf den ersten Blick“, sagt der bärtige Restaurator.
Von voreiligen Schlüssen hält er nichts. Die Abnutzungsspuren am Holz werden wohl bleiben. Stunden vor seinem Dahinscheiden soll der König als letzte Worte „Wir sind über den Berg, jetzt wird es besser gehen“ gesprochen haben. 208 Jahre später trifft das auch für Friedrichs Fauteuil zu. Im Herbst wird er in neuem Glanz am alten Platz stehen.